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Publikationstyp
Forschungsbericht
Monographie
Monographie
Erscheinungsjahr
2019
Carbon leakage risks in the post-Paris world
Carbon leakage risks in the post-Paris world
Autor:innen
Herausgeber
Quelle
Schlagwörter
Carbon Leakage, Paris Agreement, NDC
Forschungskennzahl (FKZ)
3717425060
Verbundene Publikation
Zitation
GÖRLACH, Benjamin und Elizabeth ZELLJADT, 2019. Carbon leakage risks in the post-Paris world [online]. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt. Climate Change, 43/2019. Verfügbar unter: https://openumwelt.de/handle/123456789/4859
Zusammenfassung deutsch
Mit der Verabschiedung des Pariser Abkommens hat sich die Welt der Klimapolitik insofern verändert, als sich alle Länder in einem Bottom-up-Prozess eigene Klimaziele gesetzt haben. Dies stellt eine fundamentale Änderung gegenüber dem vorherigen Kyoto-Regime dar, bei dem nur die Industrieländer (die sogenannten Annex-I-Staaten) feste Emissionsziele hatten, bei dem aber die überwiegende Mehrheit der Länder keine konkreten Verpflichtungen hatte, ihre Emissionen zu begrenzen oder gar zu verringern. Für die national bestimmten Beiträge (NDCs) der Vertragsstaaten des Pariser Abkommens gibt es nach wie vor kein gemeinsam vereinbartes Format oder eine gemeinsame Struktur. Daher unterscheiden sich die NDCs stark hinsichtlich der Art des darin festgelegten Ziels, des Ambitionsniveaus, das diese Ziele verkörpern, der Konditionierung der Ziele von anderen Faktoren, wie z.B. finanzieller Unterstützung, ihrem Zeitrahmen, der sektoralen Abdeckung und dem Detailgrad der geplanten Maßnahmen zur Erreichung der Ziele. Aber ungeachtet ihrer vielfältigen Formen stellen die NDCs mit wenigen Ausnahmen ein klares Bekenntnis zur Begrenzung und Reduzierung der Treibhausgasemissionen dar. Damit setzen sie mittel- bis langfristige Rahmenbedingungen, die Unternehmen und Investoren helfen können, sich Erwartungen an die zukünftige Klimapolitik zu bilden und ihre Entscheidungen daran auszurichten. Da jedes Land sein NDC individuell nach seinen nationalen Gegebenheiten, Prioritäten und Präferenzen formuliert hat, könnte die Wahrscheinlichkeit höher ausfallen, dass die nationalen Regierungen die in den NDCs eingegangenen Verpflichtungen auch tatsächlich weiterverfolgen und einhalten werden. Für die große Mehrheit der Länder und den überwiegenden Teil des globalen BIP bedeutet die Existenz der NDCs, dass die Verlagerung von CO2-Emissionen (das sogenannte Carbon Leakage) nun eine Konsequenz für das Empfängerland hat. Für den Empfänger ist solches Leakage nicht mehr nur ein willkommener Impuls, der ausländische Investitionen in die Binnenwirtschaft stimuliert und die Nachfrage nach heimischen Produkten erhöht. Stattdessen geht die Verlagerung von CO2-Emissionennun auch zu Lasten des Empfängerlandes. So entsteht ein trade-off zwischen den Vorteilen der CO2-Verlagerung (für die Empfängerländer) und ihren Nachteilen: da die zusätzlichen Emissionen es dem Empfängerland erschweren, seine eigenen NDC-Ziele zu erreichen, und so zusätzliche Minderungsanstrengungen erforderlich machen. Im Rahmen des Kyoto-Protokolls bestand die Sorge, dass Carbon Leakage zu einem Nettoanstieg der Emissionen führen könnte. Diese Besorgnis ist gerechtfertigt für den Fall der Verlagerung von CO2 aus Annex-I-Ländern in Nicht-Annex-I-Länder: Während die Annex I-Länder allesamt verbindliche Reduktionsziele hatten (sogenannte QELROs, d.h. quantifizierte Emissionsobergrenzen und Reduktionsziele), lag in Nicht-Annex-I-Ländern praktisch keine Begrenzung ihrer Emissionen vor. Somit hatte der Anstieg ihrer Emissionen durch Carbon Leakage für sie keine weiteren Folgen und erforderte folglich keine Reaktion. Mit dem Übergang vom Kyoto-System in die Welt des Pariser Abkommens hängt es jedoch von der tatsächlichen Konstellation der Ziele im "Herkunftsland" und im "Empfängerland" des Carbon Leakage ab, ob diese zu einem Nettoanstieg der Emissionen führt. Unter der Annahme, dass das Herkunftsland ein QELRO hat, sind die folgenden Konstellationen möglich: - Wenn das Empfängerland auch über ein verbindliches und strenges QELRO verfügt (sei es als absolutes Emissionsziel oder als Reduktion unter eine festgelegte Basislinie), stehen die verlagerte industrielle Produktion und die damit verbundenen Emissionen in direktem Konflikt mit dem in-ländischen Klimaziel - daher muss jede Tonne Emissionssteigerung durch Carbon Leakage durch inländische Maßnahmen in anderen Sektoren ausgeglichen werden. Carbon Leakage führt daher nicht zu zusätzlichen Emissionen. - Wenn das Empfängerland ein schwaches QELRO hat (z.B. mit einem absoluten Emissionsziel, das aber so hoch angesetzt ist, dass es die Emissionen nicht wirksam deckelt), führt Carbon Leakage de facto (wenn auch nicht de jure) zu einem Nettoanstieg der Emissionen. - Wenn das Empfängerland ein intensitätsbasiertes Ziel hat, ist die Situation komplexer - aber da die verlagerten Aktivitäten besonders emissionsintensive Prozesse betreffen, während das Intensitätsziel typischerweise für die Gesamtwirtschaft formuliert ist, wird Carbon Leakage, die Zielerreichung im Empfängerland tendenziell unterlaufen und somit verstärkte Minderungsmaßnahmen in anderen Sektoren erforderlich machen, wodurch ein Teil der Emissionssteigerung durch Carbon Leakage wieder kompensiert wird. - Eine ähnliche Situation kann eintreten, wenn das Empfängerland ein Ziel hat, die Emissionen unter die BAU zu senken, die BAU aber im Hinblick auf ein unerwartet starkes Wirtschaftswachstum ak-tualisiert - womöglich mit bedingt durch den "Wachstumsimpuls" Carbon Leakage. In diesem Fall würde Carbon Leakage zu zusätzlichen Nettoemissionen führen - der zusätzliche Spielraum durch das BAU-Update sollte jedoch geringer sein als die verlagerten Emissionen. - Wenn das Empfängerland sektorspezifische, technologiespezifische oder sogar installationsspezifische Ziele hat, könnte es zu einem potenziellen Konflikt kommen, sofern diese Ziele den Leakage-Sektor abdecken; dies stellt jedoch eine eher seltene Konstellation dar. - Wenn das NDC keine oder nur thematisch nicht relevante Ziele enthält - wie Erhöhung der Resilienz, Anpassung an den Klimawandel oder den Ausbau erneuerbarer Energien - hätte die Carbon Leakage keine weiteren Folgen, und die verlagerten Emissionen würden tatsächlich per saldo zu-sätzliche Emissionen darstellen. In den meisten Fällen wird das Empfängerland von Carbon Leakage daher mit einem trade-off konfrontiert sein: Verlagerte Emissionen erfordern zumindest teilweise einen Ausgleich durch verstärkte klimapolitische Anstrengungen des Empfängerlandes. Im Vergleich zur Situation zu Zeiten des Kyoto-Protokolls sind die geleakten Emissionen - und die damit verbundenen wirtschaftlichen Aktivitäten - für viele Drittländer nicht mehr "kostenlos": sie erfordern erhöhte Minderungsambitionen in anderen Sektoren oder aber ein erhöhtes Risiko, das gesetzte Ziel zu verfehlen. Abgesehen von dieser Abwägung, mit der sich die politische Führung konfrontiert sieht, hat die bloße Existenz von NDCs auch eine wichtige Signalfunktion für private Anlagenbetreiber und Investoren. Dabei muss zwischen operativem und Investitionsleakage unterschieden werden. Laufende Produktions-entscheidungen auf Basis der vorhandenen Produktionskapazitäten (Operational Leakage) werden in der Regel mit begrenztem Zeithorizont getroffen. Sie werden daher nur die Kosten der aktuellen Klimapolitik berücksichtigen, unabhängig von den Zielen oder der Frage, ob das aktuelle klimapolitische Instrumentarium mit den Zielen vereinbar ist. Daher werden NDCs und die darin formulierten Ziele allein wenig Einfluss auf das operative Leakage haben - entscheidend dafür sind die tatsächlichen politischen Maßnahmen, ihre Ausgestaltung und ihr Ambitionsniveau. Dies stellt sich etwas anders dar für Investitionsleakage. Investitionen sind Entscheidungen mit einem längeren Zeithorizont und müssen damit auch Erwartungen an die künftige Politik berücksichtigen. Diese sollten sich aus den in den NDCs verankerten langfristigen Zielen ableiten lassen, oder ihnen entsprechen. Selbst wenn es eine Diskrepanz zwischen den erklärten Zielen und der aktuellen Ausgestaltung der Politik geben sollte, wären Investoren gut beraten, ihre Entscheidungen nicht nur auf der aktuellen Politik zu basieren, sondern auch zukünftige Anpassungen einzuplanen. Quelle: Forschungsbericht
Zusammenfassung englisch
With the adoption of the Paris Agreement, the climate policy world has changed insofar as that all countries that are parties to the Paris Agreement have set themselves climate targets in a bottom-up process the so-called Nationally Determined Contributions (NDCs). This marks a change from the Kyoto regime, where only the industrialised countries (listed in the Annex I) had fixed emission targets, but where the vast majority of countries had essentially no obligations regarding their emissions. Since there is no common agreed format or structure, the NDCs differ widely in terms of the type of target they set, the ambition that these targets embody, whether or not targets are conditional on other factors, such as financial assistance, their timeframe, the sectoral coverage and the detail on envisaged policy measures. But despite their diversity, with few exceptions the NDCs represent a clear commitment towards limiting and reducing greenhouse gas emissions. By doing so, they set a medium- to long-term framework which can help companies and investors to form their expectations about future climate policy. As each country individually formulated its NDC in line with its national circumstances, priorities and preferences, one could expect that there is a higher chance that national governments will actually follow up and make good on the commitments expressed in the NDCs. For the large majority of countries, and the overwhelming majority of global GDP, the existence of the NDCs means that carbon leakage now comes with a consequence for the leakage recipient country. For the recipient, leakage is no longer just a welcome boost that stimulates foreign investment in the do-mestic economy and increases demand for domestic products. Instead, carbon leakage now also comes at a cost to the recipient country in the form of associated emissions. Thus, there will be a trade-off to make between the benefits of carbon leakage (for recipient countries) and its downsides as the addi-tional emissions make it harder for a country to achieve its own NDC targets, and will necessitate addi-tional mitigation action. Under the Kyoto protocol, there was a concern that carbon leakage would lead to a net increase in emissions. This concern is justified for carbon leakage from Annex-I-countries who all had binding emission reduction targets (so-called QELROs, i.e. quantified emission limitation and reduction objectives from a historic base year) to non-Annex-I-countries that effectively had no constraint on their emissions, so that receiving leaked emissions had no consequence or penalty for them. However, with the transition from the Kyoto system to the Paris world, whether or not carbon leakage leads to a net increase in emissions will depend on the actual constellation of targets in the alleged "source country" and the "recipient country, respectively. Assuming that the leakage source country has a QELRO, the following constellations are possible: - If the leakage recipient country also has a binding and stringent QELRO (be it expressed as an absolute emission target, or as a reduction below a fixed baseline, but, importantly, with no "buffer" for potential received leakage), the leaked industrial activity and associated emissions will be in direct conflict with the domestic target - hence every ton of emission increases from leaked activities will need to be compensated through domestic action in other sectors. Emission leakage will not result in additional emissions. - If the leakage recipient country has a non-stringent QELRO (e.g. with an absolute emissions target so lax that it does not impose an effective constraint on emissions), leakage will result in a de facto (though not de jure) net increase in emissions. - If the leakage recipient country has an intensity-based target, the situation is more complex - but since the leaked activities include particularly emission-intensive processes, whereas the intensity target is typically formulated for the economy as a whole, the carbon leakage will tend to move the recipient country away from its target, and thus require intensified mitigation efforts in other sec-tors, thereby compensating part of the emission increase from leaked activities. - A similar situation may arise if the leakage recipient country has a target to reduce emissions below BAU, but updates the BAU in light of stronger-than-expected economic growth - possibly augmented by leakage. In this case, leakage would result in additional net emissions - but the addi-tional leeway from the BAU update should be less than the leaked emissions. - If the leakage recipient country has sector-specific, technology-specific or even installation-specific targets, there could be a potential conflict to the extent these targets cover the leakage-recipient sector; yet this appears to be a relatively rare constellation. - Finally, if the NDC does not include specific targets, or only unrelated ones - such as resilience, adaptation or the expansion of renewable energies - the leakage would have no further conse-quences, and leaked emissions would indeed constitute net additional emissions. Thus, in most cases the leakage recipient country will face some kind of trade-off: leaked emissions will require some amount of compensation through increased domestic efforts by the leakage recipi-ent country. Compared to the situation under the Kyoto Protocol, receiving leaked emissions is no longer "free" for many non-Annex-I-countries: it requires increased mitigation ambition in other sectors, or an increased risk of missing the pledged target. Other than the trade-off faced by the regulator, the mere existence of NDCs also has an important signalling function for private plant operators and investors. In this context, it is necessary to distinguish between operational and investment leakage. Day-to-day production decisions on the basis of existing production capacities (operational leakage) are generally taken with a limited time horizon. They will therefore only factor in the costs of current climate policies, irrespective of the targets, or whether current policies are compatible with them. Thus, NDCs and their targets by themselves will have little influence on operational leakage - what matters is the actual policy on the ground. Investment leakage, however, involves decisions with a longer time horizon. It will therefore also factor in expectations of future policies, which will be derived from (or informed by) the long-term targets embodied in the NDCs. Even if there should be a discrepancy between targets and current policies, investors would not be well advised to ignore this discrepancy. Quelle: Forschungsbericht