TEXTE 37/2025 Für Mensch & Umwelt Abschlussbericht Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode Band I von: Dr. Michael Zschiesche, Luisa Schneider Unabhängiges Institut für Umweltfragen e.V., Berlin Prof. Dr. Alexander Schmidt, Hochschule Anhalt, Bernburg Unter der Mitarbeit von: Sophie Dolinga, Louisa Hantsche, Martin Nguyen, Maike Reichert, Katharina Reimann, Theresa Seidel, Franziska Sperfeld, Leon Unterlass, Fabian Untze, Tom Witschas, Nicole Wozny Unabhängiges Institut für Umweltfragen e.V., Berlin Tamara Itzenhäuser, Ilona Simanava Hochschule Anhalt, Bernburg In Zusammenarbeit mit: RAin Dr. Franziska Heß, Leipzig RAin Lisa Hörtzsch, Leipzig Prof. Dr. Alexander Proelß, Hamburg Prof. Dr. Angela Schwerdtfeger, Göttingen RA Dirk Teßmer, Frankfurt/Main TEXTE 37/2025 Ressortforschungsplan des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz Forschungskennzahl 3721 11 101 0 FB001729 Abschlussbericht Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode Band I Von: Dr. Michael Zschiesche, Luisa Schneider Unabhängiges Institut für Umweltfragen e.V., Berlin Prof. Dr. Alexander Schmidt, Hochschule Anhalt, Bernburg Unter der Mitarbeit von: Sophie Dolinga, Louisa Hantsche, Martin Nguyen, Maike Reichert, Katharina Reimann, Theresa Seidel, Franziska Sperfeld, Leon Unterlass, Fabian Untze, Tom Witschas, Nicole Wozny Unabhängiges Institut für Umweltfragen e.V., Berlin Tamara Itzenhäuser, Ilona Simanava Hochschule Anhalt, Bernburg In Zusammenarbeit mit: RAin Dr. Franziska Heß, Leipzig RAin Lisa Hörtzsch, Leipzig Prof. Dr. Alexander Proelß, Hamburg Prof. Dr. Angela Schwerdtfeger, Göttingen RA Dirk Teßmer, Frankfurt/Main Im Auftrag des Umweltbundesamtes Impressum Herausgeber Umweltbundesamt Wörlitzer Platz 1 06844 Dessau-Roßlau Tel: +49 340-2103-0 Fax: +49 340-2103-2285 buergerservice@uba.de Internet: www.umweltbundesamt.de Durchführung der Studie Unabhängiges Institut für Umweltfragen e.V. (UfU e.V.) Greifswalder Straße 4 10405 Berlin Abschlussdatum Februar 2025 Fachbegleitung Fachgebiet I 1.3 / Rechtswissenschaftliche Umweltfragen Oliver Weber DOI https://doi.org/10.60810/openumwelt-7781 ISSN 1862-4804 Dessau-Roßlau, März 2025 Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autor*innen. mailto:buergerservice@uba.de file:///%5C%5Ctsclient%5CX%5C.projekte%5C19-0356%5Cchapter_00%5Cwww.umweltbundesamt.de https://doi.org/10.60810/openumwelt-7781 TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 5 Kurzbeschreibung: Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) ist im Juni 2017 umfassend novelliert worden. Dadurch ist zum einen der Anwendungsbereich für Rechtsbehelfe deutlich erweitert worden. Zum anderen wurde das Institut der materiellen Präklusion für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen abgeschafft, die bestimmten unionsrechtlichen Vorgaben unterliegen. Inzwischen hat sich weiterer Novellierungsbedarf ergeben, sodass mit einer weiteren Anpassung des UmwRG zu rechnen ist. In dem dreijährigen Forschungsprojekt wurde das Klagegeschehen anerkannter Umweltverbände in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 2021 bis 2023 umfassend rechtswissenschaftlich begleitet und anhand empirischer Daten untersucht und ausgewertet. Neben dem Klagegeschehen und den klagenden Umweltverbänden sind darüber hinaus die Dauer von gerichtlichen Entscheidungsverfahren sowie die Auswirkungen durch den Wegfall der materiellen Präklusion rechtswissenschaftlich und empirisch analysiert worden. Zudem wurden spezielle Fragestellungen im Zusammenhang mit der Einlegung von Rechtsbehelfen in den Blick genommen. Der Abschlussbericht enthält alle wesentlichen Befunde bis zum Stichtag 15.06.2024. Abstract: Scientific support of access to justice in environmental matters in the 20th legislative term in Germany The Environmental Appeals Act (UmwRG) was comprehensively amended in June 2017. Notably, the scope of application for legal remedies has been significantly expanded. Furthermore, the institute of substantive preclusion for legal remedies against decisions that are subject to certain EU law requirements was abolished. In the meantime, further amendments have become necessary, meaning that further modifications to the UmwRG are to be expected. The three-year research project comprehensively monitored the legal actions of recognised environmental associations in the Federal Republic of Germany in the years 2021 to 2023 from a legal perspective and examined and evaluated them on the basis of empirical data. In addition to legal actions, the complaining environmental associations, the duration of court proceedings and the effects of the abolition of material preclusion were analysed from a legal and empirical perspective. Specific issues related to the lodging of appeals were also analysed. The final report contains all the main findings up to the deadline of 15 June 2024. TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 6 Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................................... 11 Tabellenverzeichnis ............................................................................................................................... 11 Abkürzungsverzeichnis .......................................................................................................................... 12 Zusammenfassung ................................................................................................................................. 16 Summary ............................................................................................................................................... 23 1 Einführung ..................................................................................................................................... 30 1.1 Geschichte des UmwRG bis 2017 ......................................................................................... 31 1.2 Die Novelle des UmwRG aus 2017 ........................................................................................ 32 1.3 Ausblick auf erneute Novellierung ........................................................................................ 33 1.4 Forschungsfragen .................................................................................................................. 34 1.5 Projektbestandteile und Methodik ....................................................................................... 36 2 Darstellung und Auswertung der empirischen Untersuchung von umweltrechtlichen Verbandsklagen von 2021 bis 2023............................................................................................... 38 2.1 Methodik und Reichweite der Untersuchung ....................................................................... 38 2.1.1 Ansatzpunkte der Untersuchung ...................................................................................... 38 2.1.2 Datenerhebung und Aussagekraft der Daten ................................................................... 39 2.1.3 Auswertung der Klagedaten ............................................................................................. 41 2.2 Anzahl der Umweltverbandsklagefälle im Zeitraum 2021 bis 2023 ..................................... 42 2.3 Klagegegenstände ................................................................................................................. 44 2.3.1 Verteilung der Fälle auf verschiedene Klagegegenstände ................................................ 44 2.3.2 Nutzung der neuen Klagemöglichkeiten nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4-6 UmwRG ............. 46 2.4 Erfolgsquote von Verbandsklagen seit der Novelle 2017 ..................................................... 47 2.5 Auswertung zur Dauer gerichtlicher Verfahren bei Verbandsklagen ................................... 49 2.5.1 Untersuchungsansätze ...................................................................................................... 49 2.5.2 Auswertung der durchschnittlichen Verfahrensdauer bei erstinstanzlichen Klagen gegen Straßenbau- und Eisenbahnprojekte ..................................................................... 49 2.5.3 Dauer der gerichtlichen Verfahren bei Vorhaben mit Bezug zur Energiewende ............. 54 2.6 Mitwirkung der Umweltverbände an Beteiligungsverfahren ............................................... 55 2.7 Klagende Umweltverbände................................................................................................... 56 2.7.1 Anerkannte Umweltverbände in Bund und Ländern ........................................................ 58 2.7.2 Umweltverbände, die von ihrem Klagerecht im Zeitraum 2021 bis 2023 Gebrauch gemacht haben ................................................................................................................. 60 2.7.3 Klagende Umweltverbände und Klagegegenstände im Zeitraum 2021 bis 2023 ............. 62 TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 7 2.8 Auswirkung der §§ 5 und 6 UmwRG ..................................................................................... 64 2.8.1 Anwendung des § 5 UmwRG in der gerichtlichen Praxis .................................................. 64 2.8.2 Anwendung des § 6 UmwRG in der gerichtlichen Praxis .................................................. 65 2.9 Zusammenfassung der Ergebnisse ........................................................................................ 70 3 Qualitative Befragung zu Rechtsschutz in Umweltfragen ............................................................. 72 3.1 Methodik ............................................................................................................................... 72 3.1.1 Interviewpartner*innen .................................................................................................... 72 3.1.2 Vorgehen ........................................................................................................................... 73 3.2 Umweltverbandsklagen ........................................................................................................ 73 3.2.1 Ergebnisse der Befragung ................................................................................................. 74 3.2.1.1 Wirkung und Aufkommen der Umweltverbandsklage ................................................. 74 3.2.1.2 Verhalten der Beteiligten vor und im Verfahren .......................................................... 77 3.2.2 Zwischenfazit .................................................................................................................... 82 3.2.2.1 Ziel und Aufkommen der Umweltverbandsklage ......................................................... 82 3.2.2.2 Verhalten der Beteiligten vor und im Verfahren .......................................................... 82 3.3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz ............................................................................................... 83 3.3.1 Ergebnisse der Befragung ................................................................................................. 83 3.3.1.1 Nutzung von § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 4-6 UmwRG ................................................................ 83 3.3.1.2 Wegfall der Präklusion .................................................................................................. 84 3.3.1.3 Heilung von Fehlern ...................................................................................................... 86 3.3.1.4 Regelungsbedarf im UmwRG ........................................................................................ 87 3.3.2 Zwischenfazit .................................................................................................................... 90 3.3.2.1 Nutzung von § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4-6 UmwRG ................................................................ 90 3.3.2.2 Wegfall der Präklusion .................................................................................................. 90 3.3.2.3 Heilung von Fehlern ...................................................................................................... 91 3.3.2.4 Regelungsbedarf ........................................................................................................... 91 3.4 Zusammenhang von Öffentlichkeitsbeteiligung und Umweltverbandsklagen ..................... 92 3.4.1 Ergebnisse der Befragung ................................................................................................. 92 3.4.1.1 Auswirkungen von eingeschränkter Öffentlichkeitsbeteiligung ................................... 92 3.4.1.2 Auswirkungen von frühzeitiger Öffentlichkeitsbeteiligung .......................................... 93 3.4.2 Zwischenfazit .................................................................................................................... 95 3.5 Digitale Öffentlichkeitsbeteiligung........................................................................................ 95 3.5.1 Ergebnisse der Befragung ................................................................................................. 96 3.5.1.1 Ausschließlich digitale Öffentlichkeitsbeteiligung ........................................................ 96 TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 8 3.5.1.2 Entwicklung der Beteiligung durch digitale Auslegung ................................................ 97 3.5.1.3 Ausstattung der Behörden ............................................................................................ 98 3.5.1.4 Verfahrensfehler im Rahmen des PlanSiG .................................................................... 99 3.5.1.5 Auslegungsfragen im Rahmen des PlanSiG .................................................................. 99 3.5.2 Zwischenfazit .................................................................................................................... 99 3.6 Zusammenfassung der Ergebnisse ...................................................................................... 100 4 Qualitative Befragung zur Beschleunigungsgesetzgebung seit 2018 .......................................... 102 4.1 Einleitung ............................................................................................................................ 102 4.2 Ergebnisse der Befragung ................................................................................................... 102 4.2.1 Wirksamkeit der Beschleunigungsgesetze seit 2018 ...................................................... 102 4.2.1.1 Wirksam ...................................................................................................................... 102 4.2.1.2 Wirkungslos ................................................................................................................ 104 4.2.1.3 Einzelne Gesetze ......................................................................................................... 107 4.2.2 Beschleunigung durch Wegfall der aufschiebenden Wirkung ........................................ 111 4.2.2.1 Wirksam ...................................................................................................................... 111 4.2.2.2 Wirkungslos ................................................................................................................ 112 4.2.2.3 Ambivalent .................................................................................................................. 114 4.2.3 Beschleunigung durch Verkürzung des Instanzenzugs ................................................... 115 4.2.3.1 Wirksam ...................................................................................................................... 115 4.2.3.2 Wirkungslos ................................................................................................................ 117 4.2.3.3 Ambivalent .................................................................................................................. 117 4.2.4 Beschleunigung durch Stichtagsregelung ....................................................................... 118 4.2.4.1 Wirksam ...................................................................................................................... 119 4.2.4.2 Wirkungslos ................................................................................................................ 119 4.2.4.3 Ambivalent .................................................................................................................. 121 4.2.5 Beschleunigung durch Genehmigungsfiktion ................................................................. 122 4.2.5.1 Wirksam ...................................................................................................................... 122 4.2.5.2 Wirkungslos ................................................................................................................ 122 4.2.5.3 Ambivalent .................................................................................................................. 124 4.2.6 Beschleunigende Maßnahmen ....................................................................................... 124 4.2.6.1 Ressourcen .................................................................................................................. 124 4.2.6.2 Öffentlichkeitsbeteiligung .......................................................................................... 125 4.2.6.3 Materielles Recht ........................................................................................................ 126 4.2.6.4 Verfahrensrecht .......................................................................................................... 127 TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 9 4.3 Zusammenfassung der Ergebnisse ...................................................................................... 129 4.3.1 Wirksamkeit der Beschleunigungsgesetze ..................................................................... 130 4.3.2 Wegfall der aufschiebenden Wirkung ............................................................................ 130 4.3.3 Instanzenzug ................................................................................................................... 131 4.3.4 Stichtag ........................................................................................................................... 131 4.3.5 Genehmigungsfiktion ...................................................................................................... 131 4.3.6 Beschleunigende Maßnahmen ....................................................................................... 132 5 Anerkennungsvoraussetzungen von Umweltverbänden im Rechtsvergleich ............................. 133 5.1 Einleitung ............................................................................................................................ 133 5.2 Internationale Verpflichtungen........................................................................................... 134 5.2.1 Aarhus-Konvention ......................................................................................................... 134 5.2.2 Rechtsschutz auf EU-Ebene (EU-Aarhus-Verordnung) ................................................... 135 5.3 Nationale Anerkennungsvoraussetzungen ......................................................................... 136 5.3.1 Frankreich ....................................................................................................................... 136 5.3.2 Niederlande .................................................................................................................... 139 5.3.3 Österreich ....................................................................................................................... 140 5.3.4 Schweden ........................................................................................................................ 142 5.3.5 Schweiz ........................................................................................................................... 143 5.3.6 Deutschland .................................................................................................................... 145 5.4 Rechtsvergleich ................................................................................................................... 146 5.4.1 Kriterien für die Anerkennung ........................................................................................ 146 5.4.2 Zuständige Stelle ............................................................................................................. 148 5.4.3 Monitoring ...................................................................................................................... 148 5.4.4 Entzug der Anerkennung ................................................................................................ 149 5.4.5 Klagegegenstand ............................................................................................................. 149 5.4.6 Rechtsschutz bei Nicht-Anerkennung ............................................................................. 150 5.4.7 Verfahren vor dem ACCC zur Anerkennung von Vereinigungen .................................... 150 5.5 Fazit ..................................................................................................................................... 150 6 Rechtswissenschaftliche Untersuchungen zu Einzelaspekten .................................................... 152 6.1 Umweltverbandsrechtsschutz gegen nationale und europäische Produktzulassungsentscheidungen (Anhang I) ................................................................... 152 6.2 Die Änderungen der Aarhus-Verordnung zum Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten (Anhang II) ........................................................................................................................... 152 6.3 Beschleunigungsgebiete für erneuerbare Energien – Fragen des Rechtsschutzes (Anhang III) ........................................................................................................................................ 153 TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 10 6.4 Grenzen beschleunigter Vorhabenrealisierung unter Berücksichtigung der Anforderungen des Umweltschutzes, gesetzmäßiger Verwaltung und effektiver Rechtsschutzgewährung (Anhang IV) ................................................................................. 153 6.5 Rechtsschutzklauseln im EU-Umweltrecht (Anhang V) ...................................................... 154 7 Veranstaltungen im Rahmen des Projekts .................................................................................. 155 8 Quellenverzeichnis ...................................................................................................................... 156 A Anhang zu den Kapiteln 3 und 4: Interviewleitfaden .................................................................. 158 A.1 Umweltrechtliche Verbandsklagen ..................................................................................... 158 A.1.1 Allgemeine Fragen .......................................................................................................... 158 A.1.2 Spezifische Fragen ........................................................................................................... 158 A.2 Planungssicherstellungsgesetz ............................................................................................ 159 A.2.1 Allgemeine Fragen .......................................................................................................... 159 A.2.2 Spezifische Fragen ........................................................................................................... 159 A.3 Beschleunigungsgesetzgebung ........................................................................................... 160 A.3.1 Allgemeine Fragen .......................................................................................................... 160 A.3.2 Spezifische Fragen ........................................................................................................... 160 B Anhang zu Kapitel 5: Gesetzestexte ............................................................................................ 162 B.1 Frankreich ........................................................................................................................... 162 B.2 Niederlande ......................................................................................................................... 167 B.3 Österreich ............................................................................................................................ 168 B.4 Schweden ............................................................................................................................ 170 B.5 Schweiz ................................................................................................................................ 171 B.6 Deutschland ........................................................................................................................ 174 TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 11 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Dauer einzelner Verfahren vom 01.01.2007 bis 15.10.2015.... 51 Abbildung 2: Dauer einzelner Verfahren vom 02.06.2017 bis 31.12.2023.... 53 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Klagefälle pro Jahr und Bundesland ......................................... 43 Tabelle 2: Klagefälle pro Jahr und Klagegegenstand ................................. 45 Tabelle 3: Klagefälle nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 6 UmwRG ............... 46 Tabelle 4: Erfolgsbilanz für 2021 - 2023 .................................................... 47 Tabelle 5: Erfolgsbilanz bei ausgewählten Klagegenständen (2021- 2023) ......................................................................................... 48 Tabelle 6: Dauer gerichtlicher Verfahren bei Klagen u.a. gegen Straßenbauprojekte (Zeitraum 1) ............................................. 51 Tabelle 7: Dauer gerichtlicher Verfahren bei Klagen u.a. gegen Straßenbauprojekte (Zeitraum 2) ............................................. 52 Tabelle 8: Dauer gerichtlicher Verfahren bei Klagen u.a. gegen Straßenbauprojekte (Zeitraum 3) ............................................. 52 Tabelle 9: Dauer gerichtlicher Verfahren bei Klagen u.a. gegen Windenergieanlagen (2021-2023) ............................................ 55 Tabelle 10: Mitwirkung der Umweltverbände in Beteiligungsverfahren 2021-2023 ................................................................................. 56 Tabelle 11: Anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigungen in Bund und Ländern im Zeitverlauf ...................................................... 59 Tabelle 12: In den Bundesländern anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigungen ....................................................... 59 Tabelle 13: Anerkannte Umweltverbände mit den zahlenmäßig meisten Verbandsklagen ........................................................................ 61 Tabelle 14: Die am häufigsten klagenden Umweltverbände, aufgeschlüsselt nach Klagegegenständen ................................ 63 Tabelle 15: § 6 UmwRG in der gerichtlichen Praxis bei Umweltverbandsklagen ............................................................ 66 Tabelle 16: Entscheidungen mit Bezug zu § 6 UmwRG (nur Umweltverbandsklagen) .......................................................... 69 Tabelle 17: Zusammensetzung der Interviewpartner*innen ...................... 73 TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 12 Abkürzungsverzeichnis a. F. alte Fassung AA artenschutzrechtliche Ausnahmen Abs. Absatz AC Aarhus Convention ACCC Aarhus Convention Compliance Committee AEG Allgemeines Eisenbahngesetz vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2396; 1994 I S. 2439), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 22. Dezember 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 409) geändert worden ist AK Aarhus-Konvention Art. Artikel AVG NL Allgemeines Verwaltungsgesetz, Niederlande Az. Aktenzeichen B Befreiung in Schutzgebieten BauG Baugenehmigung BauGB Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 20. Dezember 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 394) geändert worden ist BayJG Bayerisches Jagdgesetz in der in der Bayerischen Rechtssammlung (BayRS 792-1-L) veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch § 5 des Gesetzes vom 23. Juli 2024 (GVBl. S. 247) geändert worden ist Beschl. Beschluss BF/WU Baumfällungen / Waldumwandlungen BfN Bundesamt für Naturschutz BGBl. Bundesgesetzblatt BIM-KW Kohlekraftwerke BIM-S sonstige BImSchG-Anlagen BImSchG Bundes-Immissionsschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2013 (BGBl. I S. 1274; 2021 I S. 123), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 3. Juli 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 225) geändert worden ist BIM-TH Tierhaltungsanlagen BIM-WEA Windenergieanlagen BJagdG Bundesjagdgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. September 1976 (BGBl. I S. 2849), das zuletzt durch Artikel 291 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist BMAW Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, Österreich BMK Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, Österreich BMUV Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz BNatSchG Bundesnaturschutzgesetz vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 3. Juli 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 225) geändert worden ist B-Plan Bebauungsplan TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 13 BT-Drs. Drucksachen des Deutschen Bundestages BUND Bund für Umwelt und Naturschutz BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerwG Bundesverwaltungsgericht bzw. beziehungsweise ca. circa CFREU Charter of Fundamental Rights of the European Union d. h. das heißt DK „Dieselklagen“ DUH Deutsche Umwelthilfe ebd. ebenda ECJ European Court of Justice EEG Erneuerbare-Energien-Gesetz vom 21. Juli 2014 (BGBl. I S. 1066), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. Mai 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 151) geändert worden ist EG Europäische Gemeinschaft EIA Environmental Impact Assessment EMRK Europäische Menschenrechtskonvention EU Europäische Union EuGH Gerichtshof der Europäischen Union EU-GrCh Charta der Grundrechte der Europäischen Union f. folgend ff. fortfolgende Fn. Fußnote gem. gemäß GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 19. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2478) geändert worden ist ggf. gegebenenfalls GSP FR Gesetze über die Stadtplanung, Frankreich GTG CH Gentechnikgesetz, Schweiz i. S. d. im Sinne der/des i. V. m. in Verbindung mit ID Identifizierungsnummer IE-Richtlinie Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) JR Jagdrecht Kap. Kapitel KI Künstliche Intelligenz LNG Liquefied Natural Gas TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 14 LNGG LNG-Beschleunigungsgesetz vom 24. Mai 2022 (BGBl. I S. 802), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 3. Juli 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 225) geändert worden ist LRP Luftreinhaltepläne m. w. N. mit weiteren Nachweisen MgvG Gesetz zur Vorbereitung der Schaffung von Baurecht durch Maßnahmengesetz im Verkehrsbereich (Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz) vom 22. März 2020, BGBl. I S. 640, Außerkrafttreten am 29. Dezember 2023, BGBl. Nr. 409 NABU Naturschutzbund Deutschland NHG CH Natur- und Heimatschutzgesetz, Schweiz Nr. Nummer NVwZ Neue Zeitung für Verwaltungsrecht o. g. oben genannt OVG Oberverwaltungsgericht p. a. per annum P-Abf Abfallentsorgungsanlagen P-AEG Eisenbahnprojekte P-Berg Bergbauvorhaben P-E Energie-/Leitungsanlagen PlanSiG Planungssicherstellungsgesetz vom 20. Mai 2020 (BGBl. I S. 1041), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 4. Dezember 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 344) geändert worden ist P-Luft Flughäfen P-S sonstige Planfeststellungen P-Str Straßenplanungen P-WHG Ausbau von Gewässern RL Richtlinie Rn. Randnummer ROG Raumordnungsgesetz vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2986), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 22. März 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 88) geändert worden ist Rs. Rechtssache S sonstige Klagen S. Seite s. o. siehe oben sog. sogenannte/r SRU Sachverständigenrat für Umweltfragen u. a. unter anderem UGB FR Umweltgesetzbuch, Frankreich UGB SE Umweltgesetzbuch, Schweden UmwRG Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. August 2017 (BGBl. I S. 3290), das zuletzt durch Artikel 14b des Gesetzes vom 22. Dezember 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 405) geändert worden ist Urt. Urteil TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 15 USchadG Umweltschadensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2021 (BGBl. I S. 346 USG CH Umweltschutzgesetz, Schweiz UVP Umweltverträglichkeitsprüfung UVP-G AT Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000, Österreich UVP-Richtlinie Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten v. vom VG Verwaltungsgericht VGH Verwaltungsgerichtshof vgl. vergleiche VLAB Verein für Artenschutz, Landschaftsschutz & Biodiversität e.V. VwGO Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), die zuletzt durch Artikel 11 des Gesetzes vom 15. Juli 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 237) geändert worden ist. VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl. I S. 102), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 15. Juli 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 236) geändert worden ist WE wasserrechtliche Erlaubnisse WindBG Windenergieflächenbedarfsgesetz vom 20. Juli 2022 (BGBl. I S. 1353), das zuletzt durch Artikel 12 des Gesetzes vom 8. Mai 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 151) geändert worden ist WWF World Wide Fund For Nature z. B. zum Beispiel ZPO Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202; 2006 I S.431; 2007 I S. 1781), die zuletzt durch Artikel 8c des Gesetzes vom 19. Juli 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 245) geändert worden ist ZUR Zeitschrift für Umweltrecht TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 16 Zusammenfassung Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) regelt die Klagemöglichkeiten für anerkannte Umweltverbände und setzt so unions- und völkerrechtliche Vorgaben in nationales Recht um. Das Gesetz besteht seit 2006 und wurde bereits mehrfach – unter anderem aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben - geändert, zuletzt im Jahr 2017. Dadurch ist der Anwendungsbereich für umweltrechtliche Verbandsklagen deutlich erweitert worden. Es ist eine erneute Novellierung des UmwRG vorgesehen, insbesondere um die nationalen Regelungen weiter mit unions- und völkerrechtlichen Anforderungen zu harmonisieren. Ziele und Inhalte Das diesem Bericht zugrundeliegende dreijährige Forschungsvorhaben hat das Klagegeschehen seit der Novelle des UmwRG von 2017 weiter umfassend begleitet und die bisherigen praktischen Erfahrungen mit den neuen Regelungen anhand empirischer Untersuchungen analysiert und bewertet (Kapitel 2 bis 4). Die Methodik dieser Untersuchung1 orientiert sich an vorangehenden Studien zur Entwicklung der Umweltverbandsklagen in Deutschland.2 Dadurch wird die Vergleichbarkeit der für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis 31.12.2023 erhobenen Daten mit der Situation kurz nach sowie vor der Änderung des UmwRG 2017 gewährleistet. Kapitel 1: Einführung In der Einführung zum Bericht wird ein kurzer Abriss über die Geschichte des UmwRG seit 2006 gegeben und auf die bereits erfolgten Gesetzesnovellen näher eingegangen, mit besonderem Fokus auf der Novelle von 2017. Weiter wird die geplante erneute Novellierung des UmwRG in den Blick genommen. Die Forschungsfragen des Projekts sowie die Projektbestandteile und Methodik werden dargestellt. Kapitel 2: Darstellung und Auswertung der empirischen Untersuchung von umweltrechtlichen Verbandsklagen von 2021 bis 2023 Im empirischen Teil zur Entwicklung der Praxis der umweltrelevanten Verbandsklagen wurden die in früheren Untersuchungen erprobten methodischen Ansätze übernommen und teilweise ausgebaut (siehe 2.1). Diese wurden ebenfalls genutzt für die Ermittlung der Mitwirkung der Umweltverbände an Beteiligungsverfahren, für die Erhebung der klagenden Umweltverbände sowie für die Untersuchung der Auswirkungen der §§ 5 und 6 UmwRG. Die Zahl der Umweltverbandsklagen und der dazu ergangenen Entscheidungen hat sich leicht erhöht. Im Zeitraum von 2021 bis 2023 sind gerichtliche Entscheidungen zu insgesamt 208 Fällen gezählt worden (69,3 p.a.). Im vorangegangenen Untersuchungszeitraum von 2017 bis 2020 sind Entscheidungen zu insgesamt 252 Fällen ermittelt worden (63 p.a.), während es von 2013 bis 2016 noch 140 Fälle (35 p.a.) waren. Die Fallzahlen haben sich sowohl bezogen auf die Bundesländer als auch pro Jahr sehr unterschiedlich entwickelt. So gab es im Untersuchungszeitraum auffallend viele Klagen von einem einzelnen Verband in Bayern im Bereich des Jagdrechts. Andere Klagebereiche, die zwischen 2017 und 2020 noch vergleichsweise viele Fälle aufwiesen, wie etwa Klagen gegen Luftreinhaltepläne, spielten im aktuellen Zeitraum dagegen keine Rolle mehr. 1 Für einen Überblick zur Methodik siehe 1.5. 2 Habigt et al. (2021): Abschlussbericht - Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 19. Legislaturperiode, UBA-Texte 149/2021, S. 36 ff.; Schmidt, Zschiesche (2018): Die Klagetätigkeit der Umweltschutzverbände im Zeitraum 2013 bis 2017, Studie im Auftrag des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU), S. 10 ff.; siehe dazu u.a. auch schon Schmidt et al. (2013): Verbandsklagen im Umwelt- und Naturschutzrecht 2011 und 2012 unter Berücksichtigung der der Entwicklung von 2007 bis 2010 – eine empirische Untersuchung im Auftrag des BfN. TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 17 Die Auswertung zeigt, dass mittlerweile die 2017 eingeführten Klagemöglichkeiten in § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 4-6 UmwRG überwiegend bei Umweltverbandsklagen genutzt werden. Die Zahl der dazu ermittelten Fälle ist im Verhältnis zum Zeitraum 2017 bis 2020 stark gestiegen. So ging im Jahr 2023 über zwei Drittel der Fälle auf diese Klagegründe zurück. Der überwiegende Teil der Fälle, die von 2021 bis 2023 zu den neuen Klagemöglichkeiten ermittelt worden sind, fällt in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG. Mit gut 51 % ganz oder teilweise erfolgreichen Klagen lag die Erfolgsquote auch im Zeitraum 2021 bis 2023 vergleichsweise hoch. Bisher ist das Ergebnis zwar bei relativ vielen Fällen noch „offen“, weil nach einem Eilverfahren oder einer Entscheidung in erster Instanz noch Beschwerde-, Berufungs- oder Revisionsverfahren anhängig sind. Diese Fälle sind daher bei der Berechnung der Erfolgsquote nicht berücksichtigt worden. Eine ergänzende Auswertung der Eilentscheidungen hat jedoch ergeben, dass die Umweltverbände dabei ebenfalls häufig erfolgreich sind. Deswegen kann davon ausgegangen werden, dass die Umweltverbände ihre Klagemöglichkeiten regelmäßig nur in ausgewählten Fällen mit guten Erfolgsaussichten nutzen und damit auch weiterhin im Sinne der gesetzlichen Regelungen zur Verringerung von behördlichen Vollzugsdefiziten beitragen. Für die Untersuchung der Dauer von Entscheidungsverfahren (siehe 2.5) wurden gerichtliche Verfahren analysiert, bei denen sich der Wegfall der Präklusion von im Verwaltungsverfahren nicht rechtzeitig erhobenen Einwendungen bei UVP-pflichtigen Vorhaben nach dem EuGH-Urteil vom 15.10.2015 (C-137/42) ausgewirkt haben könnte. Das betrifft insbesondere Klagen gegen Straßenplanungen und Eisenbahnprojekte sowie gegen Vorhaben mit Bezug zur Energiewende. Bei diesen Klagegegenständen wurden Daten zur Dauer der von den Verwaltungsgerichten in erster Instanz getroffenen Hauptsacheentscheidungen ermittelt und ausgewertet. Dabei hat die Untersuchung der durchschnittlichen Dauer von erstinstanzlichen Verfahren bei Klagen gegen Straßenbau- und Eisenbahnprojekte für den Zeitraum von 2021 bis 2023 ergeben, dass sich diese in Folge des Wegfalls der sog. materiellen Präklusion nicht verlängert hat. Zu dieser Erkenntnis kam auch schon die vorangegangene Studie für den Zeitraum 2017 bis 2020. Es ist daher davon auszugehen, dass die mit der Novellierung des UmwRG 2017 verbundene Abschaffung der sog. materiellen Präklusion verspäteter Einwendungen die Dauer der gerichtlichen Verfahren nicht negativ beeinflusst hat. Die Umweltverbände beteiligen sich trotz der durch den Wegfall der sog. materiellen Präklusion veränderten Rechtslage bei den UVP-pflichtigen Vorhaben weiterhin regelmäßig an den Verwaltungsverfahren. Bei den von 2021 bis 2023 erhobenen Fällen, zu denen Informationen über die Beteiligung zugänglich waren, konnte ganz überwiegend eine Mitwirkung der Umweltverbände in den Verwaltungsverfahren festgestellt werden (bei 43 von 51 Fällen). Es konnte jedoch aufgrund fehlender Daten bei 45,6 % der erhobenen Fälle allgemein nicht festgestellt werden, ob eine vorgelagerte Beteiligung der klagenden Verbände erfolgt ist. Lediglich 34 der insgesamt 399 in Deutschland anerkannten Umwelt- und Naturschutzverbände haben im Zeitraum von 2021 bis 2023 Verbandsklagen erhoben. Die fünf am häufigsten klagenden Verbände sind dabei der BUND (49 Klagen), NABU (34 Klagen), Wildes Bayern e.V. (31 Klagen), Naturschutzinitiative Rheinland-Pfalz (12 Klagen) und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) (9 Klagen). Weiter konnte gezeigt werden, dass die Regelungen von § 5 UmwRG zu missbräuchlichem Verhalten und § 6 UmwRG zur Klagebegründungsfrist nur teilweise Auswirkungen auf den Ausgang der untersuchten Fälle hatten. So fand § 5 UmwRG im Untersuchungszeitraum von 2021 bis 2023 in keiner einzigen Entscheidung zu einer Umweltverbandsklage Anwendung. TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 18 Anders ist es bei § 6 UmwRG. Diese Regelung kam im Untersuchungszeitraum insgesamt in 19 Entscheidungen zum Tragen, um den klägerischen Vortrag zu präkludieren. Kapitel 3: Qualitative Befragung zu Rechtsschutz in Umweltfragen Neben der Ermittlung empirischer Daten zum Klagegeschehen und zur Dauer von Entscheidungsverfahren wurde zwischen August und Dezember 2023 eine qualitative Befragung von 30 Experten*Expertinnen anhand leitfadengestützter Interviews durchgeführt, um die statistischen Erhebungen zum Verbandsklagegeschehen in Umweltfragen zwischen 2021 und 2023 zu ergänzen und Entwicklungen aus der Praxis zu erfassen. Die Vorgehensweise hierzu ist in Kapitel 3.1 beschrieben. Die Mehrheit der Befragten sieht ein Vollzugsdefizit im Umweltrecht, das durch das Institut der Verbandsklage wirksam bekämpft wird. Sowohl Vertreter*innen von Behörden als auch von Umweltverbänden sind der Meinung, dass Verbandsklagen zu besseren Planungs- und Genehmigungsentscheidungen führen können, und verhalten sich in den Verfahren dementsprechend. Wirtschaftsvertreter*innen hingegen haben oft eine negativere Sicht auf Verbandsklagen. Einigkeit herrscht unter den Umweltverbänden darüber, dass ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen entscheidend für die Erhebung einer Klage sind. Befragte aus den Behörden stellten fest, dass Klagen von Umweltverbänden im Vergleich zu Klagen von Privatpersonen professioneller betrieben werden und mehr Sachverstand in die Verfahren einfließt. Die befragten Personen sahen weiteren Regelungsbedarf im UmwRG. Die Vorschläge reichten von grundsätzlicher Kritik am Gesetz bis zu detaillierten Änderungsvorschlägen einzelner Regelungen. Insbesondere der Anwendungsbereich des UmwRG (§ 1 UmwRG) und die Fristenregelungen, speziell die Klagebegründungsfrist (§ 6 UmwRG), wurden als novellierungsbedürftig erachtet. Die Auswertung der Befragung zeigt, dass der Wegfall der materiellen Präklusion seitens der Verbände nicht dazu genutzt wird, die Öffentlichkeitsbeteiligung zu umgehen und ohne frühzeitige Einwendungen Klage gegen Behördenentscheidungen zu erheben. Dies wird durch statistische Erhebungen zu den Fallzahlen 2021 bis 2023 bestätigt. Die Einschränkung der Öffentlichkeitsbeteiligung wurde von den Befragten kritisch gesehen. Ein direkter Austausch bei Erörterungsterminen wurde von allen Verfahrensbeteiligten als hilfreich und gewinnbringend angesehen. Es wurde mehrfach betont, dass eine sinnvolle Öffentlichkeitsbeteiligung dazu beitragen kann, Konflikte im weiteren Verfahren zu vermeiden oder zumindest abzumildern. Die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung wurde positiv bewertet und als Möglichkeit gesehen, die Akzeptanz eines Vorhabens zu erhöhen. Insbesondere Vorhabenträger berichteten ausschließlich von positiven Erfahrungen mit der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung. Die Befragungsergebnisse zeigen, dass die Digitalisierung der Öffentlichkeitsbeteiligung sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich bringt. Die Online-Veröffentlichung von Unterlagen wird weitgehend akzeptiert, aber bei der vollständigen Digitalisierung von Erörterungsterminen bestehen Bedenken hinsichtlich der Inklusion und der Qualität des Austauschs. Kapitel 4: Qualitative Befragung zur Beschleunigungsgesetzgebung seit 2018 Im Zuge derselben Befragung, deren Ergebnisse in Kapitel 3 dargestellt wurden, wurden die Experten*Expertinnen auch zur Wirksamkeit der Beschleunigungsgesetzgebung seit dem Jahr 2018 auf Planungs- und Genehmigungsverfahren befragt. Der Fokus der Befragung lag dabei auf der Wirksamkeit der Beschleunigungsgesetze im Allgemeinen sowie auf einzelnen TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 19 beschleunigenden Maßnahmen (Wegfall der aufschiebenden Wirkung, Verkürzung des Instanzenzugs, Stichtagsregelung, Genehmigungsfiktion). Außerdem haben die Befragten eigene Vorschläge für aus ihrer Sicht wirksame beschleunigende Maßnahmen für Zulassungsverfahren im Allgemeinen sowie für die gerichtliche Kontrolle unterbreitet. Die Befragten standen der Wirksamkeit der Beschleunigungsgesetze seit 2018 überwiegend kritisch gegenüber. Mehr als zwei Drittel der Befragten bezweifelten allgemein die Beschleunigungswirkung dieser Regelungen. Mit Blick auf einzelne beschleunigende Instrumente stellt sich das Meinungsbild in der Befragung jedoch differenzierter dar. So waren sich die Befragten mit Blick auf das Instrument des Wegfalls der aufschiebenden Wirkung und dessen Beschleunigungspotential uneinig, es gab sowohl begründete Zustimmung sowie auch Ablehnung. Eher positiv wurde von den Befragten die Beschleunigungswirkung durch einen verkürzten Instanzenzug gesehen. Eher negativ standen die Interviewten dagegen der Stichtagsregelung gegenüber und überwiegende Ablehnung erntete das Instrument der Genehmigungsfiktion mit Blick auf Beschleunigungspotentiale. Die Befragten schlugen unterschiedliche Maßnahmen mit aus ihrer Sicht beschleunigender Wirkung vor, etwa im Bereich der Öffentlichkeitsbeteiligung, Anpassungen im materiellen Recht oder Verfahrensrecht. Die unter den Befragten mit Abstand am häufigsten genannte beschleunigende Maßnahme war jedoch der Ausbau von finanziellen und personellen Ressourcen in Planungs- und Genehmigungsbehörden und den Verwaltungsgerichten. Kapitel 5: Anerkennungsvoraussetzungen von Umweltverbänden im Rechtsvergleich Es wurde ein Rechtsvergleich zu den nationalen Anerkennungsvoraussetzungen von Umweltvereinigungen in sechs europäischen Ländern erstellt (Frankreich, Niederlande, Österreich, Schweden, Schweiz, Deutschland), um Anhaltspunkte dafür zu finden, in welchem Rahmen eine mit Unions- und Völkerrecht konforme Regelung der Anerkennung möglich sein könnte. Die Anerkennungsvoraussetzungen für Umweltvereinigungen in den untersuchten Ländern weisen zwar viele Parallelen auf, unterscheiden sich jedoch auch in zentralen Punkten. Diese Unterschiede können Herausforderungen für die Harmonisierung des Umweltrechts und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Umweltvereinigungen darstellen. Dabei ist auch in Zukunft zu erwarten, dass die nationalen Regelungen zu Fragen der Anerkennung von Vereinigungen stark beeinflusst werden durch die Spruchpraxis des EuGH und des Aarhus Convention Compliance Committees (ACCC). Besonders divergent sind die Anforderungen an die Rechtsform, die Dauer des Bestehens und die Mitgliederzahl der Vereinigungen. Mit Blick auf die Rechtsform erweist sich im Ländervergleich die deutsche Regelung als besonders restriktiv, die nur Organisationen als Umweltvereinigungen anerkennt, die mitgliedschaftlich und binnendemokratisch organisiert sind. Auch die Anforderungen an die Mindestexistenzdauer der Vereinigungen variieren erheblich, von keiner spezifischen Vorgabe in den Niederlanden bis hin zu zehn Jahren in der Schweiz. Die vorgeschriebene Mitgliederzahl ist ebenfalls unterschiedlich geregelt: Während Schweden und Österreich grundsätzlich feste Mindestzahlen vorgeben, verzichtet Deutschland auf eine solche Regelung. Die Anerkennungsverfahren und die Überprüfung der Anerkennungsvoraussetzungen unterscheiden sich ebenfalls stark. Während einige Länder, wie Österreich und Frankreich, regelmäßige Überprüfungen durchführen, erfolgt dies in anderen Ländern, wie Schweden und den Niederlanden, im Rahmen jeder einzelnen Klage durch die Verwaltungsgerichte. TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 20 Kapitel 6: Rechtswissenschaftliche Untersuchungen zu Einzelaspekten Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden Gutachten zu rechtswissenschaftlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten erstellt. Die vollständigen Gutachten befinden sich im Band II: Anhang zu diesem Bericht. Umweltverbandsrechtsschutz gegen nationale und europäische Produktzulassungsentscheidungen von Dr. Franziska Heß und Lisa Hörtzsch (Anhang I) Laut der Entscheidung des EuGH vom 08.11.2022 - C-873/19 („Typengenehmigung“) muss das nationale Verfahrensrecht ein Klagerecht der anerkannten Umweltvereinigungen gegenüber Produktzulassungsentscheidungen vorsehen. Die in § 1 Abs. 1 UmwRG geregelten Klagegegenstände genügen insoweit nicht den Anforderungen von Art. 9 Abs. 3 Aarhus- Konvention. Diese EuGH-Entscheidung wurde ausgewertet, die wesentlichen Entscheidungsgründe dargestellt und im Hinblick auf die Umsetzung in Rechtsprechung und Literatur bewertet. Um die Relevanz der Entscheidung in Bezug auf weitere mögliche Klagegegenstände, die von den anerkannten Umweltvereinigungen gerichtlich angegriffen werden können, ermitteln zu können, wurde dann der Frage nachgegangen, welche Rechtsgebiete dem Produktzulassungsrecht unterfallen und den für ein Verbandsklagerecht notwendigen Umweltbezug aufweisen. Anschließend wurden die verschiedenen Verfahrensmodelle für den Erlass und Vollzug von (unionsrechtlich determinierten) Produktzulassungsentscheidungen untersucht. Die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Rechtsschutzmöglichkeiten der anerkannten Umweltvereinigungen wurden schließlich anhand exemplarisch ausgewählter Produktzulassungsentscheidungen dargestellt. Im Ergebnis verhindert in nahezu allen dargestellten Beispielsfällen insbesondere der abschließende Katalog an Klagegegenständen des § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG ein Vorgehen gegen die jeweilige Produktzulassungsentscheidung, weil das UmwRG in erster Linie auf Vorhaben ausgerichtet ist. Es liegt somit eine strukturelle Rechtsschutzlücke vor, da unabhängig von dem (rechtstechnischen) Entscheidungstyp einer Produktzulassung als Referenz- oder Anerkennungsentscheidung oder einer transnationalen Zulassungsentscheidung keine Rechtsschutzmöglichkeit eröffnet ist. Das Gutachten fordert daher, die derzeitige völker- und unionsrechtswidrige Rechtslage anzupassen und unter Beachtung der Anforderungen des Art. 9 Abs. 3 AK i.V.m. Art. 47 EU-GrCh unions- und völkerrechtskonform auszugestalten. Die Änderungen der Aarhus-Verordnung zum Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten von Prof. Dr. Angela Schwerdtfeger (Anhang II) Mit der Verordnung (EU) 2021/1767 vom 6. Oktober 2021 änderten Europäisches Parlament und Rat die Aarhus-Verordnung (EG) Nr. 1367/2006. Die Änderungen dienen der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen der Union aus Art. 9 Abs. 3, 4 AK und sollen die Feststellungen und Empfehlungen des ACCC in dem Verfahren ACCC/C/2008/32 berücksichtigen. Daher wurden die Beanstandungen des ACCC in diesem Verfahren erläutert, die unionsrechtliche Umsetzung dieser Empfehlungen des ACCC skizziert und sodann eine Bewertung der Neuregelung vorgenommen. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass der Unionsgesetzgeber mit der Änderung der Aarhus-Verordnung wesentliche Defizite des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten auf Unionsebene ausgeräumt hat. Grundsätzlich positiv zu bewerten sind insbesondere die neue Definition des Verwaltungsaktbegriffs in Art. 2 Abs. 1 lit. g) AV n.F. sowie die Erweiterung des Kreises der Antragstellenden im internen Überprüfungsverfahren nach Art. 10, 11 AV (und in der Konsequenz der Kläger im gerichtlichen Verfahren nach Art. 12 AV) um andere Mitglieder der Öffentlichkeit als NRO. Es bleiben jedoch auch noch Fragen und rechtliche Unsicherheiten mit Blick auf diese Neuregelungen bestehen. TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 21 Beschleunigungsgebiete für erneuerbare Energien – Fragen des Rechtsschutzes von Prof. Dr. Angela Schwerdtfeger (Anhang III) Die Änderungen der Erneuerbare-Energien-Richtlinie aus dem November 2023 zielen unter anderem darauf ab, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Zu diesem Zweck werden Umweltprüfungen in Beschleunigungsgebieten für erneuerbare Energien von der Projekt- auf die Planungsebene verlagert. Die Notfallverordnung des Rates der EU aus dem Dezember 2022 hatte diesen Ansatz bereits teilweise vorweggenommen. Die Änderungsrichtlinie sieht keine ausdrücklichen Änderungen des Rechtsschutzes vor; insbesondere sollen die Vorgaben der Aarhus-Konvention beachtet werden. Der in der Änderungsrichtlinie vorgesehene Verzicht auf die Umweltverträglichkeitsprüfung auf Projektebene führt jedoch mittelbar zur Unanwendbarkeit des Art. 9 Abs. 2 AK. Dies bedeutet, dass Zugang zu Gerichten nur nach Maßgabe des Art. 9 Abs. 3 AK zu gewähren ist. Die Änderungsrichtlinie führt damit für die Öffentlichkeit zu einer Einschränkung des Rechtsschutzes gegen Projekte in Beschleunigungsgebieten für erneuerbare Energien, die jedoch noch mit der Aarhus-Konvention vereinbar ist. Grenzen beschleunigter Vorhabenrealisierung unter Berücksichtigung der Anforderungen des Umweltschutzes, gesetzmäßiger Verwaltung und effektiver Rechtsschutzgewährung von Dirk Teßmer (Anhang IV) Das Instrument der Freigabe von Realisierungsmaßnahmen im Vorfeld des Abschlusses der Prüfungen zur Genehmigung der Vorhaben wurde anlässlich aktueller Diskussionen um die Erleichterung der Möglichkeiten zur Zulassung eines vorzeitigen Beginns und dessen Auswirkungen auf die Gewährleistung des Schutzes von Umwelt und Natur vor rechtswidrigen und insbesondere irreversiblen Eingriffen näher beleuchtet. Das Gutachten stellt fest, dass bei der Zulassung des vorzeitigen Baubeginns neben völkerrechtlichen Verpflichtungen auch die unionalen Umsetzungsrichtlinien und Bestimmungen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt zu beachten sind. Jede Entscheidung über einen vorzeitigen Baubeginn hat höherrangigen Verpflichtungen bzw. Vorgaben wie die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG bei der Ausübung von Ermessensentscheidungen zu beachten, um rechtsstaatliches Verhalten garantieren zu können. Je früher der vorzeitige Baubeginn im anhängigen Hauptgenehmigungsverfahren zugelassen wird, desto eher lässt sich tendenziell eine nachteilige Auswirkung für den Umwelt- und Naturschutz im Sinne von vollendeten Tatsachen und einer Umkehr des Regel-/Ausnahmeverhältnisses befürchten. In tatsächlicher Hinsicht können die generell als zu lange empfundenen Planungs- und Genehmigungsverfahren durch den vorzeitigen Baubeginn in gewissen Fällen durchaus beschleunigt werden. In rechtlicher Hinsicht gilt dabei allerdings zu beachten, dass der Ausnahmecharakter des vorzeitigen Baubeginns schnell zur Regel werden kann. Rechtsschutzklauseln im EU-Umweltrecht von Prof. Dr. Alexander Proelß (Anhang V) Das Gutachten untersucht, ob und ggf. welche Aussage- und Bindungswirkung den Erwägungsgründen europäischer Sekundärrechtsakte, soweit sie auf Art. 9 Abs. 3 AK Bezug nehmen, im Hinblick auf den Zugang zu Rechtsschutz bei der Umsetzung von EU-Rechtsakten in nationales Recht zukommt. Zum anderen wurde erläutert, welche Anforderungen, den Zugang zu Gericht betreffend, Art. 9 Abs. 3 AK in seiner Auslegung durch den EuGH zu entnehmen sind, und welche Folgen sich hieraus für die Umsetzung dieser Anforderungen auf mitgliedstaatlicher Ebene ergeben. Art. 9 Abs. 3 AK kann auf Ebene des Unionsrechts durch Integration von Rechtsschutzklauseln in spezifische EU-Sekundärrechtsakte umgesetzt und auf diese Weise für die Mitgliedstaaten TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 22 unmittelbar verbindlich gemacht werden. Die fehlende Aufnahme von Rechtsschutzklauseln in umweltbezogene Sekundärrechtsakte hat indes nicht zur Folge, dass Art. 9 Abs. 3 AK unionsrechtlich ohne Bedeutung bliebe. Üblicherweise wird die Umsetzung der Anforderungen des Art. 9 Abs. 3 AK durch den Gesetzgeber erfolgen; aus der Perspektive des Unionsrechts ist dies aber nicht zwingend erforderlich. Soweit alternativ oder ergänzend eine Umsetzung im Wege der unionsrechtskonformen Auslegung allgemeiner Vorschriften des deutschen Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrechts durch die Verwaltungsgerichte in Betracht kommt, ist ein solches Vorgehen dem Einwand geringerer Rechtsklarheit und -sicherheit ausgesetzt und trifft zudem auf die methodischen Grenzen der Auslegung. Dies gilt erst recht für die Frage der analogen Anwendung der Vorschriften des UmwRG auf ggf. nicht ausdrücklich geregelte Fälle. Kapitel 7: Veranstaltungen im Rahmen des Projekts Im Rahmen des Projekts wurden drei Fachveranstaltungen durchgeführt: ► Verbände-Workshop 2021: Verbandsklagen im Umwelt- und Klimaschutz – aktuelle Entwicklungen zu Klagen und neueste Ergebnisse aus Studien (10.12.2021) ► Forum Umweltrechtsschutz 2023: Auswirkungen aktueller europäischer und nationaler Gesetzesnovellen auf den Rechtsschutz (02.03.2023) ► Symposium zur umweltrechtlichen Verbandsklage 2024 - Zugang zu Gericht in Umweltangelegenheiten: Effektivität umweltrechtlicher Verbandsklagen (16. u. 17.05.2024) TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 23 Summary The German Environmental Appeals Act (UmwRG) regulates the legal remedies available to recognised environmental associations and thus transposes EU and international law requirements into German national law. The Act has been in place since 2006 and has already been amended several times, most recently in 2017, partly due to the requirements of EU law. As a result, the scope of application for environmental legal actions by associations has been significantly expanded. A further amendment of the Environmental Appeals Act is planned, in particular to further harmonise the national regulations with EU and international law requirements. Goals and contents The three-year research project on which this report is based has continued to comprehensively monitor the litigation process since the 2017 amendment to the UmwRG and has analysed and evaluated the practical experience to date with the new regulations on the basis of empirical studies (Chapters 2 to 4). The methodology of this study3 is based on previous studies on the development of environmental lawsuits in Germany.4 This ensures the comparability of the data collected for the period from 1 January 2021 to 31 December 2023 with the situation shortly after and before the amendment of the UmwRG 2017. Chapter 1: Introduction The introduction to the report provides a brief outline of the history of the UmwRG since 2006 and takes a closer look at the amendments that have already been made to the Act, with a particular focus on the 2017 amendment. The planned new amendment to the UmwRG is also analysed. The research questions of the project as well as the project components and methodology are presented. Chapter 2: Presentation and analysis of the empirical study of environmental class actions from 2021 to 2023 In the empirical part on the development of the practice of environmental legal actions by associations, the methodological approaches tested in earlier studies were adopted and partially expanded (see 2.1). These were also used to determine the involvement of environmental organisations in participation procedures, for the presentation of environmental organisations who bring legal actions and for the investigation of the effects of §§ 5 and 6 UmwRG. The number of lawsuits filed by environmental organisations and the related decisions have increased slightly. In the period from 2021 to 2023, court decisions on a total of 208 cases were counted (69.3 p.a.). In the previous study period from 2017 to 2020, decisions were issued on a total of 252 cases (63 p.a.), compared to 140 cases (35 p.a.) from 2013 to 2016. The number of cases developed very differently both in relation to the federal states and per year. For example, there was a strikingly high number of complaints from a single association in Bavaria in the area of hunting law during the period under review. By contrast, other areas of litigation that still had a comparatively high number of cases between 2017 and 2020, such as lawsuits against clean air plans, no longer played a role in the current period. 3 For an overview of the methodology, see 1.5. 4 Habigt et al. (2021): Abschlussbericht - Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 19. Legislaturperiode, UBA-Texte 149/2021, S. 36 ff.; Schmidt, Zschiesche (2018): Die Klagetätigkeit der Umweltschutzverbände im Zeitraum 2013 bis 2017, Studie im Auftrag des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU), S. 10 ff.; see also Schmidt et al. (2013): Verbandsklagen im Umwelt- und Naturschutzrecht 2011 und 2012 unter Berücksichtigung der der Entwicklung von 2007 bis 2010 – eine empirische Untersuchung im Auftrag des BfN. TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 24 The analysis shows that the new areas of application for legal actions introduced in 2017 in § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 4-6 UmwRG are now predominantly used for actions by environmental association. The number of cases identified in this regard has risen sharply compared to the period from 2017 to 2020. In 2023, over two thirds of cases were based on these new grounds. The majority of the cases identified from 2021 to 2023 regarding the new areas of application for legal actions fall within the scope of § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 UmwRG. The success rate was also comparatively high in the period from 2021 to 2023, with a good 51% of lawsuits wholly or partially successful. To date, the outcome of a relatively large number of cases is still "open" because complaint, appeal or revision proceedings are still pending following summary proceedings or a first instance decision. These cases have therefore not been taken into account when calculating the success rate. However, a supplementary evaluation of the summary proceedings has shown that the environmental organisations are also frequently successful in these cases. It can therefore be assumed that the environmental organisations regularly only use their legal options in selected cases with a good chance of success and thus continue to contribute to reducing deficits in enforcement by the authorities in accordance with environmental provisions. For the analysis of the duration of decision-making procedures (see 2.5), court proceedings were analysed in which the omission of the preclusion of objections not raised in good time during the administrative procedure for projects subject to an EIA could have had an impact following the ECJ ruling of 15 October 2015 (C-137/42). This applies in particular to legal actions against road planning and railway projects as well as projects relating to the energy transition. For these cases, data on the duration of the principal proceedings made by the administrative courts of first instance was determined and analysed. The analysis of the average duration of first-instance proceedings in lawsuits against road construction and railway projects for the period from 2021 to 2023 showed that this has not increased as a result of the omission of the so-called substantive preclusion. The previous study for the period 2017 to 2020 also came to this conclusion. It can therefore be assumed that the abolition of the so-called substantive preclusion of late objections associated with the 2017 amendment to the UmwRG did not have a negative impact on the duration of court proceedings. Despite the change in the legal situation for projects subject to EIA due to the abolition of the substantive preclusion, environmental organisations continue to participate regularly in the administrative procedures. In the cases surveyed from 2021 to 2023 for which information on participation was available, the involvement of environmental organisations in the administrative procedures could be established in the vast majority of cases (43 out of 51 cases). However, due to a lack of data in 45.6% of the cases surveyed, it was generally not possible to determine whether upstream participation by the complainant associations had taken place. Only 34 of the total of 399 environmental and nature conservation associations recognised in Germany have filed environmental legal actions in the period from 2021 to 2023. The five associations with the highest number of lawsuits are BUND (49 lawsuits), NABU (34 lawsuits), Wildes Bayern e.V. (31 lawsuits), Naturschutzinitiative Rheinland-Pfalz (12 lawsuits) and DUH (9 lawsuits). It was also shown that the provisions of § 5 on abusive behavior and § 6 UmwRG on the time limit for filing the grounds to a legal action only had a partial impact on the outcome of the cases analysed. For example, § 5 UmwRG was not applied in a single decision on an environmental organisation action in the period under review from 2021 to 2023. The situation is different with § 6 UmwRG. This provision was applied in a total of 19 decisions during the period under review in order to preclude the plaintiff's submission. TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 25 Chapter 3: Qualitative survey on access to justice in environmental matters In addition to determining empirical data on the number of complaints and the duration of decision-making procedures, a qualitative survey of 30 experts was conducted between August and December 2023 using guided interviews in order to supplement the statistical surveys on the number of environmental legal actions by associations between 2021 and 2023 and to record developments in practice. The methodology for this is described in Chapter 3.1. The majority of respondents see an enforcement deficit in environmental law, which is effectively combated by environmental legal actions by associations. Both representatives of public authorities and environmental organisations believe that representative actions can lead to better planning and approval decisions and behave accordingly in the proceedings. Business representatives, on the other hand, often have a more negative view of representative actions. There is a consensus among environmental organisations that sufficient human and financial resources are crucial for filing a lawsuit. Interviewees from the authorities noted that lawsuits brought by environmental organisations are handled more professionally and with more expertise than those brought by private individuals. The respondents saw a need for further regulation in the UmwRG. The suggestions ranged from fundamental criticism of the Act to detailed proposals for amendments to individual provisions. In particular, the scope of application of the UmwRG (§ 1 UmwRG) and the deadline regulations, especially the time limit for filing the grounds to a legal action (§ 6 UmwRG), were considered to be in need of amendment. The evaluation of the survey shows that the omission of substantive preclusion is not being used by the associations to circumvent public participation and bring legal actions against decisions by the authorities without raising objections at an early stage. This is confirmed by statistical surveys on the number of cases from 2021 to 2023. The restriction of public participation was viewed critically by the interviewees. A direct exchange at public hearings was seen as helpful and beneficial by all parties involved in the process. It was emphasised several times that meaningful public participation can help to avoid or at least mitigate conflicts in the further procedure. Early public participation was rated positively and seen as an opportunity to increase the acceptance of a project. Project sponsors in particular reported exclusively positive experiences with early public participation. The survey results show that the digitisation of public participation brings both opportunities and challenges. The online publication of documents is largely accepted, but there are concerns regarding the inclusion and quality of the exchange when it comes to the complete digitisation of public hearings. Chapter 4: Qualitative survey on acceleration legislation since 2018 As part of the same survey, the results of which were presented in Chapter 3, the experts were also asked about the effectiveness of the acceleration legislation (Beschleunigungsgesetzgebung) since 2018 on planning and permitting procedures. The survey focused on the effectiveness of the acceleration laws in general and on individual acceleration measures (abolition of the suspensory effect, shortening of the judicial appeal procedure, key-date regulation, assumption of approval). In addition, the respondents submitted their own proposals for what they consider to be effective accelerating measures for authorisation procedures in general and for judicial review. Respondents were largely critical of the effectiveness of the acceleration laws since 2018. More than two thirds of respondents generally doubted the acceleration effect of these regulations. With regard to individual acceleration instruments, however, the opinions in the survey were TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 26 more nuanced. For example, the respondents were divided on the instrument of cancelling the suspensory effect and its acceleration potential, with both well-founded approval and rejection. Respondents tended to favour the acceleration effect of a shortened judicial appeal procedure. On the other hand, the interviewees were rather negative about the key-date regulation and overwhelmingly rejected the instrument of assumption of approval with regard to the potential for planning acceleration. The respondents suggested various measures that they considered would have an accelerating effect, for example in the area of public participation, adjustments to substantive law or procedural law. However, by far the most frequently mentioned accelerating measure among the interviewees was the expansion of financial and human resources in planning and approval authorities and the administrative courts. Chapter 5: Legal comparison of the requirements for recognition of environmental associations A legal comparison of the national recognition requirements for environmental associations in six European countries (France, the Netherlands, Austria, Sweden, Switzerland, Germany) was drawn up in order to find indications of the framework in which a regulation of recognition in conformity with EU and international law could be possible. Although the recognition requirements for environmental associations in the countries studied show many similarities, they also differ in key respects. These differences can pose challenges for the harmonisation of environmental law and the cross-border cooperation of environmental associations. It is to be expected that the national regulations on issues relating to the recognition of associations will continue to be strongly influenced by the case law of the ECJ and the ACCC. The requirements for the legal status, the required duration of existence and the number of members of the associations are particularly divergent. With regard to the legal status, the German regulation proves to be particularly restrictive in a comparison of countries, which only recognises organisations as environmental associations if they are organised on the basis of membership and internal democracy. The requirements for the minimum duration of existence of the associations also vary considerably, from no specific requirement in the Netherlands to ten years in Switzerland. The prescribed number of members is also regulated differently: While Sweden and Austria generally stipulate fixed minimum numbers, Germany does not. The recognition procedures and the review of the recognition requirements also differ greatly. While some countries, such as Austria and France, carry out regular reviews, in other countries, such as Sweden and the Netherlands, this is done by the administrative courts as part of each individual legal action. Chapter 6: Legal analyses of individual aspects Access to justice of environmental associations against national and European product authorisation decisions by Dr. Franziska Heß and Lisa Hörtzsch (Annex I) According to the ECJ ruling of 08.11.2022 - C-873/19 ("Type approval"), national procedural law must provide for a right of action for recognised environmental associations against product approval decisions. The subjects of action regulated in § 1 (1) UmwRG do not meet the requirements of Art. 9 (3) of the Aarhus Convention in this respect. This ECJ decision was analysed, the main reasons for the decision presented and evaluated with regard to its implementation in case law and literature. In order to determine the relevance of the decision with regard to other possible causes of action that can be challenged in court by recognised environmental associations, the question of which areas of law fall under product approval law and have the necessary environmental relevance for a right of action for associations was then TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 27 investigated. The various procedural models for the adoption and enforcement of product approval decisions (determined by EU law) were then examined. Finally, the resulting effects on the access to justice options of recognised environmental associations were presented using selected examples of product authorisation decisions. As a result, the exhaustive catalogue of causes of action in § 1 (1) sentence 1 UmwRG in particular prevents action against the respective product approval decision in almost all of the example cases presented, because the UmwRG is primarily aimed at projects. There is therefore a structural gap in the access to justice regime, as there is no possibility of legal protection regardless of the (technical legal) decision type of a product approval as a reference or recognition decision or a transnational authorisation decision. The report therefore calls for the current legal situation, which is contrary to international and EU law, to be adapted and, in compliance with the requirements of Art. 9 (3) AC in conjunction with Art. 47 CFREU, to be amended in conformity with EU and international law. The amendments to the Aarhus Regulation on legal protection in environmental matters by Prof. Dr. Angela Schwerdtfeger (Annex II) With Regulation (EU) 2021/1767 of 6 October 2021, the European Parliament and Council amended the Aarhus Regulation (EC) No. 1367/2006. The amendments serve to fulfil the Union's contractual obligations under Art. 9 (3) and (4) AC and are intended to take into account the findings and recommendations of the ACCC in the ACCC/C/2008/32 procedure. Therefore, the ACCC's objections in these proceedings were explained, the implementation of these ACCC recommendations under EU law was outlined and then an assessment of the new regulation was made. The report comes to the conclusion that the EU legislator has eliminated significant deficits in legal protection in environmental matters at EU level with the amendment of the Aarhus Regulation. In particular, the new definition of the term "administrative act" in Art. 2 (1) (g) of the new version of the Aarhus Regulation and the extension of the group of applicants in the internal review procedure under Art. 10 and 11 of the Aarhus Regulation (and, consequently, the applicants in the judicial procedure under Art. 12 of the Aarhus Regulation) to include members of the public other than NGOs are fundamentally positive. However, there are still questions and legal uncertainties with regard to these new regulations. Acceleration areas for renewable energies - questions of access to justice by Prof. Dr. Angela Schwerdtfeger (Annex III) The amendments to the Renewable Energy Directive also aim to accelerate permitting procedures. To this end, environmental assessments are shifted from the project level to the planning level in renewables acceleration areas. The Emergency Regulation of the Council of the EU of December 2022 already partially anticipated this idea. The amending Directive does not envisage any explicit changes with regard to access to justice; in particular, the requirements of the Aarhus Convention (AC) shall be observed. However, by deleting the environmental impact assessment at the project level, the amending Directive indirectly blocks the application of Art. 9 para. 2 AC. This means that access to justice must only be granted in accordance with Art. 9 para. 3 AC. The amending Directive thus results in a restriction of access to justice for the public against projects in renewables acceleration areas, which is, however, still in line with the Aarhus Convention. TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 28 Limits of accelerated project realisation taking into account the requirements of environmental protection, lawful administration and effective access to justice by Dirk Teßmer (Annex IV) The instrument of releasing realisation measures prior to the completion of the examinations for the approval of the projects was examined in more detail on the occasion of current discussions on the facilitation of the possibilities for the approval of an early start and its effects on ensuring the protection of the environment and nature from unlawful and, in particular, irreversible interventions. The report states that, in addition to obligations under international law, the EU implementation directives and provisions on the conservation of biodiversity must also be observed when authorising the early start of construction. Any decision on an early start of construction must comply with higher-ranking obligations or requirements such as the state objective provision of Art. 20a of the German Basic Law when exercising discretionary decisions in order to be able to guarantee constitutional behaviour. The earlier the premature start of construction is authorised in the pending main approval procedure, the more likely it is to have a detrimental effect on environmental protection and nature conservation in the sense of a fait accompli and a reversal of the rule/exception relationship. In fact, the planning and authorisation procedures, which are generally perceived as being too long, can certainly be accelerated in certain cases by starting construction work early. From a legal perspective, however, it should be noted that the exceptional nature of the early start of construction can quickly become the rule. Access to justice clauses in EU environmental law by Prof. Dr. Alexander Proelß (Annex V) The report analyses whether and, if so, what significance and binding effect the recitals of European secondary legislation, insofar as they refer to Art. 9 (3) AC, have with regard to access to legal protection when transposing EU legal acts into national law. Secondly, it was explained which requirements regarding access to justice can be found in Art. 9 (3) AC as interpreted by the ECJ and what consequences this has for the implementation of these requirements at Member State level. Art. 9 (3) AC can be implemented at the level of EU law by integrating access to justice clauses into specific EU secondary legislation, thereby making it directly binding on Member States. However, the lack of inclusion of access to justice clauses in environment-related secondary legislation does not mean that Art. 9 (3) AC is irrelevant under EU law. The requirements of Art. 9 (3) AC are usually implemented by the legislator; however, this is not mandatory from the perspective of EU law. Insofar as an alternative or supplementary implementation by way of an interpretation of general provisions of German administrative and administrative procedural law by the administrative courts in conformity with EU law is considered, such an approach is subject to the objection of less legal clarity and certainty and also encounters the methodological limits of interpretation. This applies all the more to the question of analogous application of the provisions of the UmwRG to cases that may not be expressly regulated. Chapter 7: Events within the framework of the project Three specialist events were organised as part of the project: ► Environmental associations workshop 2021: Association lawsuits in environmental and climate protection - current developments on lawsuits and the latest results from studies (10.12.2021) ► Forum Environmental Access to Justice 2023: Effects of current European and national legislative amendments on access to justice (02.03.2023) TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 29 ► Symposium on Environmental Legal Actions 2024 - Access to Justice in Environmental Matters: Effectiveness of environmental legal actions (16. and 17.05.2024) TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 30 1 Einführung Die Verbandsklage im Umweltrecht erweitert das in Deutschland traditionell vorherrschende Prinzip des Individualrechtsschutzes. Der Fokus auf den Individualrechtsschutz im deutschen Verwaltungsrecht ergibt sich schon aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG5), wonach der Rechtsweg jeder Person offensteht, die durch die öffentliche Gewalt in ihren Rechten verletzt ist. Verwaltungsrechtlich ist das Prinzip in den §§ 42 Abs. 2 und 113 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO6) festgeschrieben. Demnach können Bürger*innen grundsätzlich nur dann vor Gericht ziehen, wenn sie eine mögliche Verletzung in eigenen, ihnen individuell zustehenden Rechten geltend machen können.7 Diese Einschränkung verhinderte die effektive gerichtliche Durchsetzung des Umweltrechts, da viele umweltrechtliche Normen dem Schutz der Allgemeinheit dienen und gerade nicht Einzelinteressen der Bürger*innen schützen.8 Vor Einführung der Verbandsklage im Umweltrecht war es in Deutschland daher nur eingeschränkt möglich, objektivrechtliche Anforderungen an staatliche Entscheidungen im Umweltbereich wirksam vor Gericht durchzusetzen. Es oblag vor allem der Verwaltung, die Einhaltung dieser Bestimmungen sicherzustellen. Dies führte zu Vollzugsdefiziten.9 Umweltverbandsklagen stellen eine Ausnahme vom Prinzip des Individualrechtsschutzes dar, sodass anerkannte Umwelt- und Naturschutzverbände im Interesse der Allgemeinheit die Einhaltung umweltrechtlicher und sonstiger Vorschriften vor Gericht überprüfen lassen können. Im Namen der Umwelt können die Verbände eine objektive Rechtskontrolle anstoßen und die Durchsetzung nicht individualschützender umweltrechtlicher Normen sicherstellen.10 Umweltverbandsklagen haben somit eine wichtige rechtsstaatliche Funktion und sollen die umweltbezogenen Vorgaben, die der Gesetzgeber für behördliche Entscheidungen formuliert hat, durchsetzen. Der Anstoß für die Anerkennung von Verbandsklagerechten kam vor allem aus dem europäischen und internationalen Recht. Die Aarhus-Konvention11 sieht in ihrem Art. 9 Abs. 2 i. V. m. Art. 2 Abs. 5 einen „weiten Zugang“ zu Gerichten in Umweltangelegenheiten für Umweltvereinigungen vor. Auch der Unionsgesetzgeber misst der Öffentlichkeit eine „aktive Rolle“12 bei der Durchsetzung umweltrechtlicher Vorgaben zu, wie insbesondere in der Richtlinie der Europäischen Union (EU) über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP- Richtlinie13) deutlich wird. Diese europäischen und völkerrechtlichen Vorgaben prägen Umfang 5 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 19. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2478) geändert worden ist. 6 Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), die zuletzt durch Artikel 11 des Gesetzes vom 15. Juli 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 237) geändert worden ist. 7 Erweiterte Rügemöglichkeiten bestehen jedoch für Enteignungsbetroffene, denen nach Art. 14 Abs. 3 GG grundsätzlich ein Vollüberprüfungsanspruch auf Beachtung der Anforderungen des objektiven Rechts zusteht, soweit der geltend gemachte Fehler für die Eigentumsbeeinträchtigung kausal ist, ständige Rspr. etwa BVerwG, Urt. v. 10. 10. 2012 – 9 A 19/11, NVwZ 2013, 649, Rn. 13; BVerwG, Urteil vom 12.8.2009 – 9 A 64/07, Rn. 23 f. 8 Vgl. Wahl, Schütz, in: Schoch, Schneider (2020): VwGO, § 42 Rn. 227, m.w.N. 9 Vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen (2020): Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa, Umweltgutachten 2020, S. 498-499; Sachverständigenrat für Umweltfragen (2016): Verbandsklage wirksam und rechtskonform ausgestalten: Stellungnahme zur Novelle des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes, S. 5-6; Seibert, (2013): Verbandsklagen im Umweltrecht – Aktueller Stand, Perspektiven und praktische Probleme. In: NVwZ, 2013, 1040. 10 Ebd., m.w.N. 11 UNECE-Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vom 25. Juni 1998 (Aarhus-Konvention). 12 EuGH, Urt. v. 11.04.2013, C-260/11 (Edwards und Pallikaropoulos), Rn. 32. 13 Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.12.2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten. TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 31 und Anwendungsbereich von Umweltverbandsklagen vor deutschen Gerichten. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich durch die Ratifizierung der Aarhus-Konvention verpflichtet, die dort gewährten Rechtschutz- und Beteiligungsgarantien umzusetzen. Die Umsetzung dieser Verpflichtungen in nationales Recht erfolgt in Deutschland vor allem durch das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG14). In der Vergangenheit haben sowohl Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) als auch des Aarhus Convention Compliance Committee (ACCC) Rechtsänderungen an den bestehenden Regelungen erforderlich gemacht. Um die Klagemöglichkeiten anerkannter Umweltverbände an die unions- und völkerrechtlichen Anforderungen anzupassen, wurde das UmwRG seit seinem Inkrafttreten mehrfach novelliert. Die jüngste Änderung des Gesetzes im Jahr 2017 gab Anlass zu der diesem Forschungsprojekt vorangegangenen Untersuchung im Zeitraum von 2017 bis 2020.15 Die Ergebnisse des nun ebenfalls abgeschlossenen, an das Vorgängerprojekt anschließende Forschungsprojekt deckten den Zeitraum von 2021 bis 2023 ab und sind im Lichte von Arbeiten an einer erneuten Novellierung des UmwRG zu betrachten. Das Forschungsvorhaben analysiert und bewertet empirisch die praktischen Erfahrungen im Vollzug seit der Novelle von 2017 und liefert neue Impulse für eine völker- und europarechtskonforme Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Umweltverbandsklage in Deutschland. Zudem dient es dazu, auch kurzfristig entstehenden Beratungsbedarf des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) im genannten Themenbereich zu adressieren. 1.1 Geschichte des UmwRG bis 201716 Die erste Fassung des UmwRG trat in Deutschland im Dezember 2006 in Kraft. Am 15. Januar 2007 ratifizierte Deutschland die Aarhus-Konvention, die bereits 2001 in Kraft getreten war.17 Das UmwRG wurde zur Umsetzung der Aarhus-Konvention in innerstaatliches Recht erlassen.18 In dieser ersten Version der Umweltverbandsklage von 2006 konnten Umweltverbände noch nicht ausschließlich im allgemeinen Interesse des Umweltschutzes Klagen erheben. Insbesondere waren sie darauf beschränkt, nur die Verletzung solcher umweltrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, die auch individuelle Rechte begründen, also z. B. dem individuellen Gesundheitsschutz dienen. Nach § 1 Abs. 1 UmwRG (a.F. 2006) erstreckten sich die Klagemöglichkeiten der anerkannten Umweltverbände vor allem auf UVP-pflichtige Vorhaben wie z. B. Industrieanlagen. Die Verbände konnten jedoch gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG (a. F. 2006) nur Verstöße gegen Rechtvorschriften geltend machen, die dem Umweltschutz dienen, Rechte Einzelner begründen und für die angegriffene Entscheidung von Bedeutung waren. 14 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. August 2017 (BGBl. I S. 3290), das zuletzt durch Artikel 14b des Gesetzes vom 22. Dezember 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 405) geändert worden ist. 15 Habigt et al. (2021): Abschlussbericht - Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 19. Legislaturperiode, UBA-Texte 149/2021. 16 Siehe dazu schon Habigt et al. (2021): Abschlussbericht - Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 19. Legislaturperiode, UBA-Texte 149/2021, S. 30 ff. 17 Gesetz zu dem Übereinkommen vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Übereinkommen), vom 9. Dezember 2006 (BGBl. 2006 II, S. 1251); https://www.bmuv.de/themen/umweltinformation/aarhus-konvention (alle Links im Bericht zuletzt besucht am 18.12.2024). 18 Schlacke (2019): Aktuelles zum Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz. In: NVwZ, 2019, 1392, 1393. https://www.bmuv.de/themen/umweltinformation/aarhus-konvention TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 32 Mit der Anfang 2013 vorgenommenen ersten größeren Novellierung des UmwRG wurden die Rügebefugnisse der Verbände erweitert.19 Diese Erweiterung war notwendig geworden, nachdem der EuGH 2011 in seinem "Trianel"-Urteil entschieden hatte, dass die Beschränkung der gerichtlich angreifbaren Verstöße auf die Missachtung von Vorschriften zum Schutz der "Rechte Einzelner" gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG 2006 nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist.20 Daraufhin wurde § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG dahingehend geändert, dass Umweltverbände nun alle Verstöße gegen umweltschutzbezogene Vorschriften geltend machen können. Die nächste bedeutende Änderung des UmwRG erfolgte Ende 2015 infolge der Entscheidung des EuGH im Fall "Altrip" aus dem Jahr 2013.21 Diese Anpassungen betrafen insbesondere die Regelungen zur gerichtlichen Überprüfung von UVP-Verfahrensfehlern und die Voraussetzungen, unter denen solche Fehler zur Aufhebung einer Zulassungsentscheidung führen können.22 Seitdem gewähren § 4 Abs. 1 und 1a UmwRG sowohl anerkannten Umweltverbänden als auch betroffenen Bürgern*Bürgerinnen deutlich erweiterte Klagerechte. Dies gilt insbesondere für Fälle von "absoluten" UVP-Verfahrensfehlern, bei denen eine Aufhebung der Verwaltungsentscheidung unabhängig von den Auswirkungen des Fehlers auf das Ergebnis verlangt werden kann.23 1.2 Die Novelle des UmwRG aus 2017 Die letzte Novelle des UmwRG fand im Jahr 2017 statt und brachte weitere umfangreiche Änderungen mit sich.24 Die Novelle sollte insbesondere ein Urteil des EuGH aus 2015 sowie eine Entscheidung des ACCC gegen Deutschland aus 2014 umsetzen.25 Dem EuGH-Urteil lag ein Vertragsverletzungsverfahren bezüglich der UVP-Richtlinie und der Richtlinie der EU über Industrieemissionen (IE-Richtlinie26) zugrunde. Dabei wurde festgestellt, dass die im deutschen Recht vorgesehene Einschränkung der gerichtlichen Überprüfung UVP-pflichtiger Vorhaben durch strenge Präklusionsregelungen gegen das Erfordernis eines umfassenden und effektiven Zugangs zu Gericht verstößt. Die Entscheidung des ACCC gegen Deutschland aus 2014 erklärte darüber hinaus die Beschränkung der nach dem UmwRG zulässigen Klagegegenstände auf umweltschützende Vorschriften für völkerrechtswidrig.27 Die Novelle erweiterte die Rechte der Umweltverbände deutlich umfassender als die vorherigen Reformen. Folgende Änderungen gelten nun seit 2017:28 19 Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften v. 21.1.2013, (BGBl. I 2013, 95). 20 EuGH, Urt. v. 12.5.2011, C-115/09 (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen e. V. / Bezirksregierung Arnsberg), die Trianel Kohlekraftwerk Lünen GmbH & Co. KG war Beigeladene im Verfahren. 21 EuGH, Urt. v. 7.11.2013, C-72/12 (Gemeinde Altrip u. a. / Land Rheinland-Pfalz). 22 Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes zur Umsetzung des Urteils des EuGH vom 7.11.2013 in der Rechtssache C- 72/12, vom 20.11.2015, BGBl. I 2015, S. 2069. 23 Vgl. dazu Schmidt, Schrader, Zschiesche (2014): Die Verbandsklage im Umwelt- und Naturschutzrecht, Rn. 523 ff.; Schlacke, NVwZ 2014, 11 f.; Ekardt, NVwZ 2014, 393 ff. 24 Gesetz zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom 29.5.2017, BGBl. I 2017, S. 1298. 25 EuGH, Urt. v. 15.10.2015 – C-137/14 (Kommission / Deutschland), siehe dazu ausführlich Habigt et al. (2021): Abschlussbericht - Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 19. Legislaturperiode, UBA-Texte 149/2021, B.2.3, S. 137 ff.; ACCC/C/2008/31, ECE/MP.PP/C.1/2014/8, S. 19. 26 Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung), (IE-Richtlinie). 27 Vgl. dazu Schmidt, Schrader, Zschiesche (2014): Die Verbandsklage im Umwelt- und Naturschutzrecht, Rn. 144 ff. 28 Vertiefend Schlacke (2019): Aktuelles zum Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz. In: NVwZ, 2019, 1392, 1397 ff. TEXTE Wissenschaftliche Unterstützung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten in der 20. Legislaturperiode 33 ► Der Katalog der möglichen Klagegegenstände wurde um drei neue Kategorien erweitert (§ 1 Abs. 1 Nr. 4-6 UmwRG). In den Anwendungsbereich des UmwRG fallen nun auch: ⚫ Pläne und Programme mit einer Pflicht zur Strategischen Umweltprüfung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UmwRG), ⚫ Verwaltungsakte oder öffentlich-rechtliche Verträge, die nicht UVP-pflichtige Zulassungsentscheidungen enthalten und für die umweltbezogene Vorschriften Anwendung finden (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UmwRG), ⚫ Verwaltungsakte über Überwachungs- oder Aufsichtsmaßnahmen (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 UmwRG). ► Bei UVP-pflichtigen Vorhaben findet eine umfassende Rechtmäßigkeitsprüfung im Verbandsklageverfahren statt (§ 2 Abs. 1 UmwRG).29 ► Die materielle Präklusion entfällt für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen, die unter Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention fallen (z. B. Entscheidungen nach der UVP-Richtlinie, der IE-Richtlinie). Dieser Wegfall wird regelungstechnisch begleitet durch die Einführung oder Modifizierung der §§ 5, 6 und 7 UmwRG, welche die Berücksichtigung verspäteten oder erstmaligen klägerischen Vortrags in Gerichtsverfahren mit Umweltbezug begrenzen sollen. Diese neuen Regelungen beinhalten die Einführung einer Missbrauchsklausel (§ 5 UmwRG), einer